Aktuelle Ikonographie und kollektives Bildgedächtnis

Dagmar Preising – Text aus dem Ausstellungskatalog »Ulf Hegewald und Freunde« 2013 im Xylon – Museum, Schwetzingen

Fußballerinnen und Fußballer in Aktion und im Augenblick ihrer höchsten Anspannung bestimmen die 2012 entstandenen Acrylgemälde von Claudia Maas. Frontal ist der Blick des Betrachters gerichtet auf zum Sprung ansetzende oder bereits im Sprung befindliche Fußballerinnen, auf einen in der Diagonale im Tor durch die Luft schießenden Torwart, auf einen zum Kopfball aufsteigenden Fußballer sowie eine am Boden liegende Fußballerin mit angezogenem Knie und nach oben hin ausgestrecktem Arm. Niemals ist der Ball, die eigentliche Ursache der im Bild präsenten Bewegung, dargestellt.

Claudia Maas greift auf die in den Printmedien veröffentlichte Sportfotografie zurück, um ihre Bildmotive zu finden. Doch in der Malerei werden die Akzente anders gesetzt, Ausschnitte gezielt gewählt und die Sportler nah an den Betrachter heran gerückt. So werden die Emotionen der Bildprotagonisten, der Schmerz, die Resignation, die Ekstase, die sich in den Fotos auf das sportliche Ereignis beziehen, aus dem ursprünglichen Kontext des Mannschaftsspiels heraus gelöst und isoliert präsentiert. Bisweilen wirken die Sportler entrückt oder schwebend, wobei die Ursachen dieses Zustandes im Gemälde offen bleiben. Der gestische Pinselduktus und die stark reduzierte Farbigkeit unterstreichen die Entfernung der gemalten Bilder von ihrem Ausgangspunkt.

Auf das Thema Fußball greift Claudia Maas nicht zufällig zurück. Es handelt sich hier um einen Bereich von gesellschaftlicher Relevanz und Emotionen kanalisierender Bedeutung. Anhand ihrer aus aktueller Ikonographie entwickelten Bildfiguren versteht es die Künstlerin, zugleich das Thema der Fortwirkung tradierter Bildvorstellungen neu zu diskutieren. Die starke Emotionalität der Dargestellten entspricht der bis ins späte Mittelalter zurück gehenden Christus- und Heiligendarstellungen, die nicht zuletzt dazu dienten, die Emotionalität der Betrachter in eine bestimmte Richtung zu lenken, eine Rolle, die in unserer Gesellschaft der Fußball übernommen hat. So ist es durchaus erlaubt, in dem zum Kopfball ansetzenden Fußballspieler in Zwei Fussballer 5, seiner gebeugten Körperhaltung und seinem sorgenvollen Gesichtsausdruck eine Anspielung auf den Schmerzensmann, die Imago Pietatis, zu sehen, der zur spätmittelalterlichen Bilderwelt gehört. Auch die an Blattgoldauflagen erinnernde Hintergrundgestaltung verweist auf mittelalterliche Bilder. Das kollektive Bildgedächtnis religiöser Vorstellungen überlagert die auf aktueller Bildmotivik gründenden Figuren.